INNOVATION – EINBLICK IN DAS CONTENT LAB
Der Wert der Daten
Der Bereich Market Data + Services gehört seit Jahren zu den zuverlässig wachsenden Geschäftsfeldern der Gruppe Deutsche Börse. Im Angebot sind Indizes, Marktdaten, auch in Echtzeit, analytische Datenströme und Daten zu regulatorischen Anforderungen sowie IT-Infrastrukturen und Handelsplattformen. Angesichts der stabilen Nachfrage und der fortschreitenden Digitalisierung könnte man als Anbieter doch sehr zufrieden sein. Allerdings weist gerade dieser Bereich eine besonders intensive Dynamik auf: Technische Möglichkeiten und Kundenwünsche ändern sich schnell.
Konrad Sippel
leitet das neu eingerichtete Content Lab der Gruppe Deutsche Börse.
„Daten verbessern unsere Produkte.“
Mitte 2016 wurde bei der Deutschen Börse das Content Lab ins Leben gerufen. In diesem „Laboratorium“ entstehen jedoch keine konkreten Produkte: „Wir sind die Forschungsabteilung innerhalb des Segments Market Data + Services bei der Deutschen Börse“, sagt Konrad Sippel, Leiter des Content Lab. „Wir suchen nach Lösungen, die nicht unmittelbar aus konkreten Anfragen unserer Kunden zustande kommen. Darum kümmern sich nämlich andere Abteilungen sehr erfolgreich“ (siehe den Beitrag „Nachhandel“). Das Lab ist ein Raum, in dem an Neuem gearbeitet werden kann – unabhängig von Detailverbesserungen an bestehenden Lösungen. Kundenwünsche und -anforderungen werden antizipiert und ohne „Schere im Kopf“ ausprobiert.
Echte Innovationen
„Wir müssen nicht jeden unserer Schritte sofort rechtfertigen. Es geht nicht um genau dieses eine konkrete Produkt, wohl aber um attraktive Konzepte für die kommenden 10 oder 20 Jahre. Das ist ein Privileg innerhalb des Unternehmens“, sagt der gelernte Mathematiker und MBA-Absolvent der Fuqua School of Business an der Duke University. „Diese Freiheit bedeutet für unser Team eine sehr große Herausforderung.“ Dennoch ist sich Sippel sicher, dass echte Innovationen nur auf diesem Weg entstehen können. Das Konzept des Content Lab als einer Art Denkfabrik passt insofern zur Wachstumsstrategie der Gruppe Deutsche Börse: Es ist eine kleine agile Truppe, die Dinge schnell ausprobiert und dabei jeden Tellerrand ignorieren kann.
„Wir können auch mit Daten arbeiten – natürlich verschlüsselt, aggregiert und anonymisiert –, die so niemals in konkrete Produkte einfließen würden. Zum Beispiel Handelsdaten auf Teilnehmerebene.“ Grundsätzlich dürfen die Ideen bzw. Datenprodukte niemals einzelne Kunden benachteiligen, hebt Sippel hervor. „Aus Forschungssicht ist es aber sehr spannend, mit ‚echten‘ Daten zu arbeiten. Oder mit Big Data, also Datenpaketen, die so groß sind, dass sie nicht mehr regulär verarbeitet werden können. So können wir sehr attraktive neue Angebote vorbereiten.“
Unerwartete Produkte
Das ist gerade gelungen: Gemeinsam mit den Kollegen der Devisenhandelsplattform 360T® hat das Team ein neues Produkt konzipiert. „360T hat sehr viele Punkte, an denen interessante Daten entstehen. Im Content Lab wurden jetzt einige dieser Punkte ausgewertet und ein neuer Datenfeed entwickelt, der Marktbewegungen im Devisenmarkt deutlich schneller anzeigt als eine einfache Aggregation aller Daten“, so Sippel. Ein „Low Latency Product“ nennt er das – eine Lösung also mit minimaler Verzögerung bei der Übermittlung der Marktdaten. Die Entwicklung gelang nur durch den vollen Zugriff auf die Handelsdaten von 360T. Aktuell wird der neue Feed mit einigen ausgewählten Kunden getestet und wo möglich noch verbessert. „Das entspricht exakt der neuen Linie in unserem Unternehmen: eng mit den Kunden zusammenarbeiten, technische Möglichkeiten intelligent ausschöpfen, neue Zusammenhänge sehen und nutzen.“ Klingt abstrakt? „Man muss erst einmal abstrakt und vernetzt denken, um zu wirklich neuen Lösungen zu kommen“, ist sich Sippel sicher.
Der Wert der Daten – für die Märkte
Am Ende sollen die Kunden, aber auch die Märkte als Ganzes profitieren. „Unsere Ideen sollen in Form verschiedener Produkte aus dem Unternehmen unseren Kunden helfen, bessere Investmententscheidungen zu treffen. Zugleich machen sie die Märkte noch transparenter. Das ist für uns als Anbieter und Entwickler von Marktinfrastruktur der Sinn nachhaltiger Produkte.“
Bei 360T ist man vom Potenzial der Daten zum Produkt gekommen. Im Bereich der Terminbörse Eurex ist das Content Lab einen anderen Weg gegangen: „Vom Papier zur Praxis“, so die Formel von Sippel über ihr Vorgehen bei einem Vorhersagemodell für Kreditausfallwahrscheinlichkeiten basierend auf Preisen von Optionen, die an der Eurex gehandelt werden. Am Anfang stand ein komplexes wissenschaftliches Modell, auf das die Kollegen der Eurex-Produktentwicklung gestoßen waren und das sie bereits für die Anwendung in Optionsmärkten patentiert hatten. „Dann war uns und den Kollegen von Eurex klar, dass wir direkt an der Quelle für die notwendigen Daten sitzen und auch die richtigen Tools und Fähigkeiten haben, um das Modell empirisch durchzurechnen, zu validieren und auf die Verwendung in der Praxis hin zu optimieren.“ Zurzeit wird das Modell validiert und, wo nötig, weiter ausgearbeitet. „Am Ende wird ein neues und sehr sinnvolles Werkzeug stehen, das über Abteilungsgrenzen hinweg entwickelt wurde und eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten hat, vom reinen Datenprodukt bis hin zum Underlying für neue Terminkontrakte.“
Bei einem weiteren Ansatz geht es um die Vorhersage von Transaktionskosten. Auch bei dieser Entwicklung arbeitet das Team eng mit Kunden der Gruppe Deutsche Börse zusammen. „Uns interessieren die internen Entscheidungsprozesse beim Kunden, in die wir im Alltagsgeschäft keine Einsicht haben. Wir sind froh, dass wir im Rahmen des Lab da jetzt zumindest punktuell Einblick haben können. Hier erhalten wir genau die Stellgrößen, um das spätere Angebot in seiner Wirkung für die Kunden zu optimieren.“ Und dieses Angebot wird, wenn es sich denn realisieren lässt, die Märkte verbessern. „Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, wenn man vom ‚Wert der Daten‘ spricht“, sagt Sippel, „Daten verbessern Märkte!“ Man muss sie nur erheben und klug weiterverarbeiten. „Klingt sehr viel einfacher als es ist“, so Sippel, „aber wir arbeiten daran.“
Langfristige Perspektiven
Persönlich interessieren Sippel u. a. die langfristigen Perspektiven. „Ressourcen für die langfristigeren und natürlich auch riskanteren Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind erfahrungsgemäß schwer frei zu machen. Gerade, wenn das tägliche Geschäft schon herausfordernd ist – und so geht es sicher den meisten Arbeitnehmern in der modernen Welt.“ Das Content Lab wurde unter dieser Perspektive ins Leben gerufen. „Die Deutsche Börse war Vorreiter bei der Digitalisierung der Märkte – und wir wollen immer noch Vorreiter bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien in den Finanzmärkten sein“, so Sippel.
Welche Szenarien für langfristig entstehende Produkte gibt es? „Wie wäre es mit einer automatisch handelnden und lernenden Asset Allocation-Funktion für Pensionsfonds und Versicherungen? Als Unterstützung und Ergänzung eines Portfoliospezialisten“, fragt Sippel. Für ihn ist das ein Thema aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. „Ein solches Tool würde sämtliche Produkte und Handelsplätze kennen, mit Hilfe einer Voraussage-Funktion könnte der Spezialist also zudem die Rückwirkungen seiner potenziellen Orders schon im Vorfeld, kurz vor dem Deal, ermitteln – und seine Strategie noch kurzfristig anpassen.“ Damit wäre er gemeinsam mit der Funktion im Grundsatz quasi übermenschlich: „In genau dieser Hinsicht – seine schier unübersehbare Datengrundlage und das blitzschnelle, lernende Anpassen der Strategie – wäre er besser als ein Mensch“, so Sippel, der natürlich auch die Vorbehalte gegen die sog. Robo-Advisors kennt. „Aber die Kombination aus Big Data und künstlicher Intelligenz ist eine faszinierende Perspektive – schon jetzt für unser Content Lab, mittel- bis langfristig sicher auch für unsere Kunden.“
Echte Innovationen
„Wir müssen nicht jeden unserer Schritte sofort rechtfertigen. Es geht nicht um ein konkretes Produkt, wohl aber um attraktive Konzepte für die kommenden zehn oder 20 Jahre. Das ist ein Privileg innerhalb des Unternehmens“, sagt der gelernte Mathematiker und MBA-Absolvent der Duke Management School. „Diese Freiheit bedeutet für unser Team eine sehr große Herausforderung.“ Dennoch ist sich Sippel sicher, dass echte Innovationen nur auf diesem Weg entstehen können. Das Konzept des Content Lab als einer Art Denkfabrik passt insofern zur Wachstumsstrategie der Gruppe Deutsche Börse: Es ist eine kleine agile Truppe, die Dinge ausprobiert und dabei jeden Tellerrand ignorieren kann.
„
Wir können auch mit Daten arbeiten – verschlüsselt natürlich –, die so niemals in konkrete Produkte einfließen würden. Zum Beispiel Handelsdaten auf Teilnehmerebene.“ Grundsätzlich dürfen die Ideen bzw. Datenprodukte niemals einzelne Kunden benachteiligen, hebt Sippel hervor. „Aus Forschungssicht ist es aber sehr spannend, mit ‚echten‘ Daten zu arbeiten. Oder mit so genannten Big Data, also Datenpaketen, die so groß sind, dass sie nicht mehr regulär verarbeitet werden können. So können wir sehr attraktive neue Angebote vorbereiten.“
Unerwartete Produkte
Das ist gerade gelungen: Gemeinsam mit den Kollegen der Devisenhandelsplattform 360T® hat das Team ein neues Produkt ermöglicht. „360T hat sehr viele Punkte, an denen Daten entstehen. Im Content Lab wurden jetzt einige dieser Punkte ausgewertet und ein neues Produkt daraus entwickelt, was den Kundennutzen noch einmal erheblich verbessert und die Handelsgeschwindigkeit nochmals erhöht“, so Sippel. Ein „Low Latency Product“ nennt er das – ein Produkt mit minimaler Verzögerung im Handelsablauf. Das Produkt wurde auch zusammen mit den Kunden von 360T entwickelt, die ihre Daten zur Verfügung gestellt haben. „Das entspricht exakt der neuen Linie in unserem Unternehmen: eng mit den Kunden zusammenarbeiten, technische Möglichkeiten intelligent ausschöpfen, neue Zusammenhänge sehen und nutzen.“ Klingt abstrakt? „Man muss erst einmal abstrakt und vernetzt denken, um zu wirklich neuen Lösungen zu kommen“, ist sich Sippel sicher.
Der Wert der Daten – für die Märkte
Am Ende sollen die Kunden, aber auch die Märkte als Ganzes profitieren. „Unsere Ideen stellen die Kunden zufrieden und eröffnen ihnen im besten Falle völlig unerwartete Möglichkeiten. Zugleich machen sie die Märkte noch transparenter. Das ist für uns als Anbieter und Enwtickler von Marktinfrastruktur der Sinn nachhaltiger Produkte.“
Bei 360T ist man vom Potenzial der Daten zum Produkt gekommen. Im Bereich der Terminbörse Eurex ist das Content Lab einen anderen Weg gegangen: „Vom Paper zur Praxis“, so die Formel von Sippel über ihr Vorgehen bei einem Vorhersagemodell für Optionen. Am Anfang stand ein komplexes Modell aus der Literatur. „Dann war uns und den Kollegen von Eurex klar, dass wir die notwendigen Daten haben, um das Modell empirisch durchzurechnen.“ Zurzeit wird das Modell validiert und, wo nötig, weiter ausgearbeitet. „Am Ende wird ein neues und sehr sinnvolles Werkzeug stehen, das über Abteilungsgrenzen hinweg entwickelt worden ist.“
Bei einem weiteren Ansatz geht es um die Vorhersage von Transaktionskosten. Auch bei dieser Entwicklung arbeitet das Team eng mit Kunden der Gruppe Deutsche Börse zusammen. „Uns interessieren die internen Entscheidungsprozesse beim Kunden. Wir sind froh, dass wir da punktuell Einblick erhalten.“ Und dieses Angebot wird, wenn es sich denn realisieren lässt, die Märkte verbessern. „Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, wenn man vom ‚Wert der Daten‘ spricht“, sagt Sippel: „Daten verbessern Märkte!“ Man muss sie nur erheben und klug weiterverarbeiten. „Klingt einfacher als es ist“, so Sippel, „aber wir arbeiten daran.“
Lange Perspektiven
Persönlich interessieren Sippel v. a. die langfristigen Perspektiven. „Ressourcen für die lange Strecke sind erfahrungsgemäß schwer frei zu machen. Gerade, wenn das tägliche Geschäft schon herausfordernd ist – und so geht es sicher den meisten Arbeitnehmern in der modernen Welt.“ Das Content Lab ist unter dieser Perspektive ins Leben gerufen worden. „Die Deutsche Börse war Vorreiter bei der Digitalisierung der Märkte – und wir wollen immer noch Vorreiter bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien sein“, so Sippel.
Welche Szenarien für langfristig entstehende Produkte gibt es? „Wie wäre es mit einer automatisch handelnden und lernenden Asset Allocation-Funktion für Pensionsfonds und Versicherungen? Als Unterstützung und Ergänzung eines Portfoliospezialisten“, fragt Sippel. Für ihn ist das ein Thema aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (Artificial Intelligence, AI). „Ein solcher Advisor würde sämtliche Produkte und Handelsplätze kennen, mit Hilfe eines Voraussage-Tools könnte er zudem noch die Rückwirkungen seiner potenziellen Orders schon im Vorfeld, kurz vor dem Deal, ermitteln – und seine Strategie noch kurzfristig anpassen.“ Damit wäre er im Grundsatz quasi übermenschlich: „In genau dieser Hinsicht – seine schier unübersehbare Datengrundlage und das blitzschnelle, lernende Anpassen der Strategie – wäre er besser als ein Mensch“, so Sippel, der natürlich auch die Vorbehalte gegen die sog. Robo-Advisors kennt. „Aber die Kombination aus Big Data und AI ist eine faszinierende Perspektive – schon jetzt für unser Content Lab, mittel- bis langfristig auch für unsere Kunden.“